ZEIT CAMPUS: Viele Studenten leiden unter „Hochstapler-Phänomen“
Viele Studenten haben Angst aufzufliegen, weil sie glauben, ihre Erfolge nicht verdient zu haben und sabotieren sich dadurch selbst. Das erklärt Psychologin Birgit Spinath im Interview mit ZEIT CAMPUS im Rahmen des Titelthemas „Was kann ich wirklich?“. Das Hochstapler-Phänomen komme vermehrt zum Ende der Schulzeit, zu Beginn des Studiums und bei der ersten Stelle vor. „Bei den Betroffenen gehen Selbstbild und Fremdbild stark auseinander“, so Spinath.
Die Psychologin rät, Erfolge auf eigene Fähigkeiten zurückzuführen und Misserfolge auf Dinge, die veränderbar sind. Ebenfalls wichtig sei es, Feedback von Freunden einzuholen und das Selbstwertgefühl nicht an einzelne Klausuren zu knüpfen. Bei einem Bewerbungsgespräch sollten Bewerber den eigenen Stärken vertrauen: „Man muss sich gut verkaufen können. Das ist etwas ganz anderes als hochstapeln.“
Die Abwertung der eigenen Leistung sei unter Studenten weit verbreitet. „So schützt man sich vor hohen Erwartungen und vor Enttäuschungen“, so die Expertin. Das führe schnell zu Problemen. „Weil man Selbstbewusstsein braucht, um erfolgreich zu sein. Das zeigen Studien immer wieder.“ Zudem können die Zweifel und Ängste zur selbsterfüllenden Prophezeiung werden oder zu Prokrastination führen.
Für Berufseinsteiger hat Frau Spinath einen Tipp: „Im neuen Job will man einen guten Eindruck machen und gibt deshalb erst mal viel Gas. Nach einigen Monaten sollte man sich fragen: ‚Wenn ich diesen Job noch lange machen will, kann ich dann mein aktuelles Niveau halten? Oder sollte ich mich etwas niedriger einpegeln, wenn sich das besser anfühlt?’ Mancher ist überrascht, was dann für Rückmeldungen kommen: ‚Prima, deine Leistung stimmt, und du bist jetzt auch viel lockerer.“
Professorin Dr. Birgit Spinath, 44, lehrt Pädagogische Psychologie an der Universität Heidelberg und forscht u. a. über das Leistungsverhalten in Schulen und Hochschulen.
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