Marc Wallert warnt vor zu viel Optimismus in der Corona-Pandemie: „Diese Krise hat viele Parallelen zu meiner Entführung vor 20 Jahren“
„Wir sind Geiseln des Coronavius“, findet Marc Wallert, der vor 20 Jahren zusammen mit seinen Eltern von der Terror-Organisation Abu Sayyaf entführt wurde; die Kämpfer drohten damals, die Geiseln zu enthaupten, erst nach Monaten kamen sie frei. Aus Sicht Wallerts hat die Corona-Pandemie „viele Parallelen zu meiner Entführung vor 20 Jahren“, sagt er nun in einem Interview mit dem Magazin „ZEIT für Unternehmer“.
„So wenig wir damals wussten, welche Strapazen auf uns zukommen und wie lange wir durch den Dschungel irren würden, genauso wenig lässt sich sagen, wie diese Pandemie weitergehen wird.“ Er habe während der Geiselhaft gelernt: „In einer Krise musst du geduldig und diszipliniert bleiben, auch wenn sich die Lage bessert.“ Wallert rät Unternehmern, nicht der Zeit vor Corona nachzutrauern, sondern die Krise zu nutzen, „um neue Ideen umzusetzen, für die vorher keine Zeit, kein Mut oder kein Rückhalt da war – etwa die digitale Transformation.“ Außerdem warnt er davor, in der Corona-Pandemie leichtsinnig zu werden: „Zu viel positives Denken kann leichtsinnig machen – und in einen Lockdown führen, der schmerzhafter wird als die Beschränkungen im Frühjahr.“
Lange hat Wallert öffentlich über die Entführung geschwiegen, bis er sie in seinem Buch „Stark durch Krisen. Von der Kunst, nicht den Kopf zu verlieren“ zum Thema gemacht hat – genau wie einen Burnout, den er während seiner Karriere nach der Entführung erlitten hat. Die Aufarbeitung der Entführung sei phasenweise nicht leicht gewesen: „Meine Mutter ist während der Geiselhaft sehr krank geworden. Es gab einen Moment, da dachte ich: Sie stirbt jetzt. Ich habe noch vor Augen, wie ich weinend auf dem Boden saß und eine Französin meine Mutter beatmet hat, und um mich herum standen die bewaffneten Terroristen. Mich damit noch mal auseinanderzusetzen war nicht einfach“, so Wallert, der heute als Resilienztrainer arbeitet.
„ZEIT für Unternehmer“ erscheint viermal im Jahr und erreicht rund 80.000 Entscheiderinnen und Entscheider. Konzipiert und produziert wird das Heft in der Wirtschaftsredaktion der Wochenzeitung DIE ZEIT.