Joachim Gauck: Diese Urangst ist mir fremd
Bundespräsident a. D. Joachim Gauck hat sich im Gespräch mit ZEITmagazin-Chefredakteur Christoph Amend zu Corona und der Angst vieler Menschen vor der Krankheit geäußert: „Bei uns älteren Deutschen, die wir andere Krisen mit größeren Bedrohungspotenzial erlebt haben, geht es vielfach nicht so tief“, sagt Gauck, „diese Urangst, die bei vielen da anscheinend existiert, ist mir fremd.“ Er sehe aber die Gefahren und auch, „dass viele Menschen damit Probleme haben, mit sich alleine zu sein.“
Anlass des Gesprächs war eine Ausstellung des Künstlers Günther Uecker in Rostock, die am 29. Mai eröffnet wird. Mit Uecker verbindet Gauck eine langjährige Freundschaft. Zu Beginn stand er Ueckers Formensprache mit den Nägeln allerdings skeptisch gegenüber. Er habe gedacht „Das geht ja gar nicht.“ Dann aber sei er verzaubert gewesen: „Dieser Mann nimmt dieses grobe Material und wenn das Kunstwerk fertig ist, dann lebt es.“ „Plötzlich ist eine Zartheit um dich und deine Seele geht auf Suche: Was kommt da gerade zu mir? Welche Empfindung? Das fand ich faszinierend.”
Ueckers Name, so Gauck weiter, könnte „Kraft” sein. Er sei voller Leben und das sei auch eine „tröstliche Begegnung mit unserem eigenen Schicksal des Älterwerdens“. Uecker lade ein, „Ja zu sagen, zum Leben, zu diesem Leben.“ Er glaube, „dass wir in Zeiten von Verunsicherung die Nähe und Gesellschaft solcher Menschen brauchen, die trotz Bedrohung ‚Ja sagen‘ können zum Leben.“