Helmut Schmidt und Richard von Weizsäcker diskutieren in Berlin
Die Deutschen stünden mehr als alle anderen europäischen Völker vor der Aufgabe guter Nachbarschaft, erklärten Helmut Schmidt und Richard von Weizsäcker in einem ZEIT FORUM POLITIK gestern Abend in Berlin. „Das große Kunststück wird sein, einerseits die nationale Identität aufrecht zu halten, sie aber zu überwölben mit europäischer Gemeinsamkeit“, sagte Altkanzler Schmidt.
Im bis auf den letzten Platz gefüllten Französischen Dom stellten die beiden großen Staatsmänner ihre neue Buchreihe „Die Deutschen und ihre Nachbarn“ vor, welche sich in zwölf Bänden mit Deutschland und seinen Nachbarländern befasst. Altkanzler Schmidt erklärte seine Motivation als Herausgeber: „Ich habe mal mit meiner Familie in einem Reihenhaus gewohnt. Da hatten wir zwei Nachbarn. Manchmal hat das auch Spannungen gegeben, und das waren nur zwei Nachbarn. Wir Deutschen haben aber neun unmittelbare Nachbarn!“
Die Politiker bezogen im Gespräch über Deutschlands Position in Europa und der Welt auch zu aktuellen Themen Stellung. Von Moderator Matthias Naß (stellvertretender Chefredakteur, DIE ZEIT) nach einer „Renaissance des Staates“ angesichts der aktuellen Finanzkrise gefragt, sprachen sich beide für eine „Zivilisierung des Kapitalismus’“ aus: „Die große Errungenschaft der Nachkriegszeit ist doch die sozial geprägte Marktwirtschaft“, so Richard von Weizsäcker. Helmut Schmidt pflichtete ihm bei: „Die Frage nach Markt und Staat stellt sich nicht alternativ: Ohne die Marktwirtschaft können wir die dafür notwendigen Mittel nicht erwirtschaften, aber den Sozialstaat kann nur der Staat selber aufrecht erhalten – niemals der Markt!“
In den letzten Wochen der Finanzkrise habe er sich, so Schmidt, „von Angela Merkel und Peer Steinbrück gut regiert gefühlt. Aber was wir heute erleben, ist die erfolgreiche Bekämpfung einer akuten Notlage. Die langfristigen Probleme sind noch gar nicht Gegenstand der öffentlichen Debatte.“
In der Diskussion von Regeln und der Sicherheitsstandards für den internationalen Kapitalverkehr helfe es, so Richard von Weizsäcker, „aber doch erheblich weiter, wenn wir uns auch in diesen globalen Fragen mit unseren Nachbarn in der Europäischen Union so gut wie möglich verständigen“.
Videoausschnitte des ZEIT FORUMS POLITIK mit Helmut Schmidt und Richard von Weizsäcker finden Sie online unter http://www.zeit.de/schmidt-weizsaecker.