Hamburger OLG entscheidet bei MeToo zu Gunsten der ZEIT
Das Oberlandesgericht Hamburg hat im Streit mit dem bekannten Galeristen Johann König zu Gunsten der Wochenzeitung DIE ZEIT entschieden. In einem richtungweisenden Beschluss erklärten die Richter die Berichterstattung über den Verdacht des Machtmissbrauchs und der sexuellen Belästigung für grundsätzlich rechtens. „Es besteht ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit daran, darüber informiert zu werden, dass gegen einen bedeutenden und international tätigen Angehörigen des Kulturbetriebs der Vorwurf erhoben wird, er würde immer wieder Frauen sexuell bedrängen“, heißt es in dem Beschluss. „Wenn denn in einem Bereich des öffentlichen Lebens eine Vielzahl von Vorwürfen solcher Art gegen eine Person laut werden, besteht daran ein Interesse der Öffentlichkeit, das über die Befriedigung bloßer Neugier hinausgeht und auf die Erlangung echter Informationen gerichtet ist. Dieses Interesse zu befriedigen sind die Presse und die anderen Publikationsorgane im Grundsatz berechtigt.“
Zugleich äußerten sich die Richter generell zur Berichterstattung über MeToo-Fälle. Zwar sei es richtig, dass König beispielsweise keine schweren Straftaten wie etwa eine Vergewaltigung vorgeworfen würden. Allerdings habe die Debatte um MeToo inzwischen „auf weite Bereiche des menschlichen Miteinanders übergegriffen und betrifft allgemein das Vorkommen sexuell unangemessenen Verhaltens insbesondere von Männern in gehobenen Positionen gegenüber Frauen und damit auch sexualisierte Verhaltensweisen, die von vielen Frauen als unangemessen empfunden werden, mögen sie auch nicht immer und durchgängig das für eine Strafverfolgung erforderliche Ausmaß erreichen.“ In der ZEIT hatten dem Galeristen König diverse Frauen übergriffiges Verhalten und sexuelle Belästigung vorgeworfen und dies später vor Gericht an Eides Statt versichert. König hatte einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eingereicht. Das Landgericht Hamburg hatte die Berichterstattung der ZEIT im Oktober in wesentlichen Teilen für zulässig erklärt, woraufhin König das Oberlandesgericht angerufen hatte. In ihrem Beschluss beanstandeten die Richter nun ergänzend Teile dreier Sätze in dem Artikel, die sie in einem Halbsatz zusammenfassten und in denen es um den Verdacht bestimmter sexueller Äußerungen gegenüber einer Frau ging. Die ZEIT hat die Passage inzwischen entsprechend abgeändert. Ansonsten bestätigte das OLG den Beschluss des Landgerichts Hamburg.
„Wir freuen uns, dass die Richter zu Gunsten einer kritischen Berichterstattung entschieden haben“, kommentierte eine Verlagssprecherin der ZEIT den Beschluss des OLG. „Berichterstattung über MeToo-Fälle, so heikel sie im Einzelfall auch immer sein mag, ist damit weiterhin möglich. Dazu hat das Oberlandesgericht den Medien klare Richtlinien an die Hand gegeben.“
Der Text über Johann König ist online abrufbar unter: https://www.zeit.de/johann-koenig-galerist-sexuelle-belaestigung-berlin.
Zum Verbot des Hanseatischen OLG hatten wir zunächst formuliert, dass die Richter nur einen weiteren Halbsatz verboten haben. Hierzu stellen wir richtig, dass in dem Halbsatz des gerichtlichen Verbots Teile dreier Sätze des Artikels zusammengefasst worden sind.