LUCHS-Preis Januar für Susin Nielsen: „Adresse unbekannt“
Hamburg, 6. Januar 2021: Der LUCHS-Preis Januar geht an die Autorin Susin Nielsen für ihr Kinderbuch „Adresse unbekannt“, welches beim Urachhaus Verlag erschienen ist, empfohlen für Leserinnen und Leser ab elf Jahren.
Der zwölfjährige Felix lebt mit seiner Mutter in einem alten VW-Bus, doch niemand soll davon erfahren. Das hat die Mutter ihrem Sohn eingeschärft. Sie fürchtet, das Jugendamt würde ihr das Kind sonst wegnehmen. Es ist kein schönes Leben: Die Enge im Bus, trotz ausklappbarem Dach, ist unerträglich: einmal pro Woche duschen im Gemeindezentrum, in zerknitterten und müffelnden Klamotten in die Schule gehen, dazu die ständige Angst, aufzufliegen. Immer wieder müssen Mutter und Sohn einen neuen Stellplatz für ihren Bus finden, um bei den Anwohnern keinen Verdacht zu erregen. Wenn sie Glück haben, ist eine öffentliche Toilette in der Nähe und der Schulweg für Felix nicht allzu weit. Oft haben sie Pech.
Wer ein hochmoralisches Sozialdrama erwartet, wird enttäuscht. Susin Nielsen umschifft die Klippen der Betroffenheit, auch weil sie ihren Figuren ausreichend Kantigkeit mitgibt. Vor allem aber, weil sie Felix mit einem großen Herzen und ansteckender Menschenfreundlichkeit ausstattet. Er ist ein Kind, das an das Gute glauben will. Trotzdem leidet er. Felix schämt sich für seine Secondhand-Klamotten und dafür, dass er sich morgens heimlich auf dem Schulklo waschen muss. Er hasst es, dass seine Mutter Essen klaut und er seine Freunde jeden Tag anlügen muss. Susin Nielsen weiß, wie man Spannung aufbaut, die Leser auf falsche Fährten lockt und mit ihren Erwartungen spielt. „Bemerkenswerter aber ist, dass sie dieses schwere Thema mit so leisem Humor und zartem Mitgefühl erzählt. Sie hält immer die Balance zwischen Felix’ Verzweiflung und seiner Fähigkeit, sich an kleinen Dingen zu freuen“, urteilt Klaus Humann in der ZEIT.
Jeden Monat vergeben DIE ZEIT und Radio Bremen den LUCHS-Preis für Kinder- und Jugendliteratur. Aus den zwölf Monatssiegern wird der Jahres-LUCHS gewählt. Die Jury bilden Brigitte Jakobeit, Übersetzerin, Anja Robert, Redakteurin bei Radio Bremen, Benno Hennig von Lange, Junges Literaturhaus Frankfurt, und Klaus Humann, ehemaliger Verleger des Carlsen und Aladin Verlags. Den Vorsitz hat Katrin Hörnlein, die bei der ZEIT das Ressort Junge Leser und die Kinder- und Jugendliteratur verantwortet.
Die LUCHS-Jury empfiehlt außerdem: das Bilderbuch „Die Bestimmer“ von Lisen Adbåge (Beltz & Gelberg), empfohlen ab vier Jahren, das Jugendbuch „Meine Augen sind hier oben“ von Laura Zimmermann (Arctis/Atrium), empfohlen ab 14 Jahren, und das Sachbuch „Das wahre Leben der Bauernhoftiere“ von Lena Zeise (Klett Kinderbuch), empfohlen ab sieben Jahren.
Radio Bremen stellt das Buch und den aktuellen Preisträger vor: Am Donnerstag, 7. Januar 2021, um 15.10 Uhr auf Bremen Zwei und am Sonnabend, 9. Januar 2021, um 13.40 Uhr auf COSMO. Das Gespräch zum Buch wird online abrufbar sein unter: www.radiobremen.de/luchs.